US-Schulden-Obergrenze: täglich grüsst das Murmeltier.

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Erfahrene Anleger und Beobachter der US-amerikanischen Politik kennen es zu Genüge: Das ständig wiederkehrende Gezanke um die Anhebung der Schuldengrenze in den USA. In Zeiten klarer Mehrheitsverhältnisse vermag diese mittlerweile gewöhnliche Notwendigkeit, kaum zu Spannungen an den Finanzmärkten führen. In Perioden, in welchen die Regierungspartei nicht gleichzeitig auch über eine Mehrheit im Kongress verfügt, wird diese Frage regelmässig zum Politikum.

Artikel 1, Abschnitt 8 der US-Verfassung legt fest, dass allein der Kongress befugt ist, Kredite für die Bundesregierung aufzunehmen. Zudem wurde mit dem Second Liberty Bond Act von 1917 eingeführt, dass die Gesamtverpflichtungen den Betrag von USD 11.5 Mrd. nicht überschreiten dürfe.

Seit Einführung der Schuldenobergrenze musste diese bereits 78 Male angehoben, temporär ausgeweitet, ausgesetzt oder in ihrer Höhe gänzlich neu festgesetzt werden. In Situationen, in welchen sich die Mehrheitsverhältnisse beider Kammern unterschieden, gab es jeweils Anlass zu einer mehr oder minder ausgeprägten und chaotischen Pattsituation, für welche zunächst ein Kompromiss zwischen Regierung und vermeintlich fiskalkonservativen Kongressabgeordneten der jeweiligen Gegenpartei gefunden werden musste.

Finden sich keine Einigung kann es tatsächlich zu schwerwiegenden Folgen für die US-Wirtschaft und das globale Finanzsystem kommen:

  • Als Folge des begrenzten fiskalischen Spielraums könnte es zu Herabstufungen von US-Staatsschulden durch die Ratingagenturen kommen. Dadurch steigende Zinsen verschlechtern die Finanzierungsbedingungen für Staat und Unternehmen noch weiter.
  • Die zunehmende Unsicherheit dürfte sich auf die globale Finanzmarktstabilität auswirken und könnte eine Abkehr vom US-Dollar beschleunigen.
  • Das Anlegervertrauen wäre beeinträchtigt und Aktienkurse würden aufgrund der gestiegenen Unsicherheit sinken.
  • US-Staatsausgaben müssten reduziert werden.

Das Szenario eines Zahlungsausfalls kommt also einer bedrohlichen Situation gleich. Angesichts der Rolle des US-Dollars als globale Reservewährung und der Bedeutung von US-Staatsanleihen im globalen Währungs- und Finanzsystem, wäre in der Folge die Wahrscheinlichkeit einer Finanzkrise und einer Rezession hoch.

Bislang fand sich noch immer ein Kompromiss. Welche Folgen lange Verhandlungen haben können, zeigte sich allerdings im Jahr 2011: Nebst den Verwerfungen in Anleihen- und Aktienmärkten verloren die USA auch ihre Bewertung als AAA-Schuldner, die seit 1941 bestand.

Es besteht ein offenkundiges Interesse der Politiker beider Lager an einer Lösung im Sinne des Staatshaushaltes. Sämtliche kreditfinanzierte Ausgaben müssen durch den Kongress bereits im Vorfeld über Haushaltsgesetze autorisiert werden; der Staat ist im Anschluss verpflichtet, diese auch umzusetzen. Eine abermalige Abstimmung, ob diese auch bezahlt werden dürften, erscheint in diesem Kontext widersinnig. Einige Rechtswissenschaftler halten die Existenz der Schuldengrenze per se für verfassungswidrig.

In der Vergangenheit wurde die Zustimmung zur Anhebung häufig an weitreichende Zugeständnisse durch die Regierungspartei geknüpft oder aber hinausgezögert, um durch Blockade dem amtierenden Präsidenten zu schaden. Auch in diesem Fall scheint dem fehlenden Willen zur Einigung weniger ein Dissens über die Notwendigkeit zu Grunde zu liegen als vielmehr politisches Kalkül: Die Amtszeit des aktuellen US-Präsidenten Joe Biden endet nächstes Jahr. Republikanische Politiker haben entsprechend Interesse daran, den Präsidenten in seiner Wahrnehmung durch das Stimmvolk zu schwächen. Auch soll die Zustimmung zur Erhöhung als Möglichkeit genutzt werden, einige der durch die Biden-Regierung auf den Weg gebrachten oder angekündigten Massnahmen zu verhindern. Insbesondere der ehemalige US-Präsident Donald Trump nutzt die Gelegenheit seinen möglicherweise zukünftigen Kontrahenten anzugreifen und seine eigene Position zu stärken – notfalls auch zu Lasten der amerikanischen Bevölkerung.

Präsident Biden scheint zu Konzessionen bereit. Ob er allerdings entscheidende Weichenstellungen seiner Amtsperiode leichtfertig aufgeben wird, ist zu bezweifeln. Letztlich kann von einer Lösung und abermaligen Erhöhung der Schuldenobergrenze vor deren Erreichung ausgegangen werden. Wann der Staat seine Mittel aufgebraucht haben wird, hängt nicht zuletzt von der Einnahmenseite und Haushaltsdisziplin der US-Regierung ab: Während einige Marktbeobachter bereits für den 1. Juni mit einer Zahlungsunfähigkeit rechnen, reichen andere Projektionen bis in den Monat Juli hinein. Unabhängig vom genauen Datum können bis zu einer Beilegung des Streits Ausschläge an den Märkten erfolgen. Auch wenn aktuell hoch gepokert wird – eine Einigung wird folgen, da keine der Parteien schlussendlich für die negativen Auswirkungen verantwortlich gemacht werden will.

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