Spannungen im Finanzsystem: Bankrott oder Rezession?
Spannungen im Finanzsystem haben die Märkte in den vergangenen Wochen in Atem gehalten. Der Untergang einzelner Bankhäuser hat das Augenmerk auf die möglichen unmittelbaren negativen Folgen einer Krise des Bankensystems gelenkt: Geht das Vertrauen verloren, können Banken in Schieflage geraten. Aufgrund der heutzutage starken internationalen Verflechtungen kann es so zu einer Ansteckung weiterer Finanzinstitute führen und damit die Gesamtwirtschaft in ihrer Entwicklung entscheidend negativ beeinflussen.
Mit diesen unmittelbaren Folgen verbunden sind häufig längerfristige negative Implikationen durch den möglicherweise auf Jahre hinaus eingeschränkten Handlungsspielraum der Banken. Nach Jahren des Liquiditätsüberflusses durch monetäre Stützungsmassnahmen brachte das vergangene Jahr einen signifikanten Zinsanstieg mit sich – und das in historisch kurzer Zeit.
Drei Aspekte in dieser Entwicklung sind herauszuschälen:
– Im Rahmen der wiederholten Liquiditätsschwemmen der letzten Jahre – beginnend mit der Finanzkrise von 2008 bis zuletzt mit den Stützungen im Kontext der globalen Covid-Pandemie – hat sich der Abwärtstrend in den Renditen stark beschleunigt. Diese Liquidität wurde durch die Geschäftsbanken absorbiert und äussert sich in aufgeblähten Bankbilanzen.
– Nicht zuletzt aufgrund regulatorischer Anforderungen stieg damit auch der Bestand an Anleihen in den Bankbilanzen deutlich an. Allgemein hat sich das Laufzeitenprofil und damit auch die durchschnittliche Indexduration der Titel aufgrund der geringen Zinsen im letzten Jahrzehnt sukzessive erhöht.
– Die historisch aggressiven Zinsanhebungen der letzten Monate haben aufgrund der inversen Beziehung zwischen Zins und Bewertung zu starken Verlusten auf festverzinslichen Papieren geführt. Die Bewertungsänderungen sind auch auf den Bankbilanzen sichtbar in denen sich teils horrende, bislang allerdings unrealisierte Verluste, angehäuft haben.
Die Buchhaltungslogik erlaubt Banken, Anleihen, welche bis zum Endverfall gehalten werden sollen, linear aufzuschreiben. Damit werden solche Anleihen nicht zum aktuell tieferen Marktwert in den Bilanzen geführt, sondern gemäss ihrem Einstandskurs. Der Verkaufs- und Buchwerte zeigen so eine deutliche Diskrepanz auf.
Wie in unserem Blog-Beitrag vom 22. März ausgeführt, ist dies erstmal kein Problem. Solange nicht in übermässigem Ausmass Geld abgezogen wird – solange also das Vertrauen in die Banken weiter besteht – solange sind diese theoretischen Verluste nicht zu realisieren. Kritisch wird es, sobald das Vertrauen der Depositeneinleger in das Bankensystem allgemein oder aber in individuelle Institute im Speziellen schwindet.
Geringere Abzüge können durch vorgehaltene Liquidität aufgefangen werden. Übersteigen die Abflüsse aufgrund einer panikartigen Vertrauenskrise aber den Anteil an hoch-liquiden Positionen, müssen Bankinstitute die Verlustpositionen veräussern. Trotz der regulatorisch erforderlichen Kapitalisierung können die so realisierten Verluste das Eigenkapital aufbrauchen und die Bank dadurch in ihrer Überlebensfähigkeit beeinträchtigen. Das unmittelbare Problem in einer solchen Situation ist somit die höhere Sensitivität des Bankensystems auf einer Vertrauensebene. Das Problem beschreibt allerdings weniger die mangelnde Solvenz der Banken als vielmehr die fehlende, kurzfristige Verfügbarkeit von Liquidität.
Das eigentliche Problem liegt im eingeschränkten Handlungsspielraum der Banken, die sich in ihrer Fähigkeit der Kreditvergabe und Liquiditätsbereitstellung eingeschränkt sehen – aufgrund der teils langen Zinsbindungen auf den Anlagen sogar auf Jahre hinaus. Die Banken haben entweder Verluste zu realisieren oder sich in ihrer Tätigkeit einzuschränken. Ersteres führt zu potenziellen Bankrotten, was das ganze Finanzsystem ins Wanken bringen könnte. Zweiteres stellt ein nicht unwesentliches Hemmnis für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung dar. Beides keine sehr erhellende Perspektive…