Inflationsbekämpfung oder Bankenrettung?
Die Zwangsschliessung der Silicon Valley Bank (SVB), das Taumeln der First Republic Bank und die Zwangsübernahme der Credit Suisse durch die UBS haben das Marktgeschehen in den vergangenen Tagen geprägt. Bankaktien rund um den Globus gingen in die Knie; Aktienmärkte zeigten grössere Verluste; Kreditaufschläge weiteten sich deutlich aus. Sichere Anlagen wie Staatsanleihen und Fluchtwährungen wie der Schweizerfranken gewannen an Wert.
Die Verunsicherung der Marktteilnehmer hat zwei Ursachen:
1. Banken sind zentral für das Wirtschaftsgeschehen: Kommt das Banksystem ins Wanken, hat dies unmittelbar weitreichende Konsequenzen für die Gesamtwirtschaft. Der Liquiditätsbedarf kann plötzlich nicht mehr gedeckt sein, Kredite werden allenfalls zurückgezogen und der Risikotransfer zwischen den Wirtschaftssubjekten kann beeinträchtigt werden. Dazu kommt der Umstand, dass Banken untereinander stark vernetzt sind und das Modell des Finanzsystems darauf beruht, dass Anlegerinnen und Anleger Vertrauen in die Banken haben müssen. Ziehen sie das Geld in Massen ab, können auch solide finanzierte Banken in Schieflage geraten.
2. Insbesondere die SVB ist infolge der bewusst gewählten aggressiven Fristeninkongruenz Opfer der stark gestiegenen Zinsen geworden. Ihr Anlagebuch hat übermässig an Wert verloren, wodurch der plötzliche und schnelle Rückzug von Anlagegeldern durch Kundinnen und Kunden nicht mehr bedient werden konnte. Zur Vermeidung einer weiteren Ansteckung im Bankensystem wurde das Finanzhaus per Anordnung geschlossen und die Kundeneinlagen im vollen Umfang durch die Behörden gesichert. Dennoch bleiben die Frage und die Befürchtung, inwieweit weitere Unternehmen den schnellen und heftigen Zinsanstieg der letzten Monate nicht wirklich absorbieren vermögen und in Probleme geraten könnten.
In der gewissen Auguren eigenen Form der Dramatisierung wurde in diesen Umständen sogleich ein vermeintliches Dilemma für die Notenbanken identifiziert: Sollen diese weiter über Zinsanhebungen die Inflation bekämpfen und damit das Bankensystem in die Binsen gehen lassen? Oder sollen sie über Zinssenkungen das Bankensystem stützen und die Inflation davongaloppieren lassen? Zumindest die marktimplizierten, erwarteten Zinshöchststände sind für den USD deutlich zurückgekommen: von einem Spitzenwert von 5.7% am 8. März auf aktuell noch 4.9%.
Tatsache ist: Allfällige Probleme im Bankensystem haben mit fehlender Liquidität und in der Ursache mit einem Vertrauensverlust zu tun. Höhere Zinsen sind hier nicht ursächlich und verschärfen die Situation auch nicht entscheidend. Über höhere Zinsen wird in erster Linie durch Verknappung des Geldes die Inflation gebändigt; über Massnahmen zur Liquiditätserhöhung – wie beispielsweise über die aktuelle SNB-Linie für die Credit Suissse – werden Banken und das System gestützt. Die Liquiditätssituation steht nur sehr bedingt im Zusammenhang mit der Geldmenge.
Auch wenn höhere Zinsen tendenziell die Liquidität schmälern können – ein eigentlicher Widerspruch oder gar Zielkonflikt besteht nicht für die Notenbanken. Die Notenbanken werden weiter den Fokus auf die Bekämpfung der Inflation legen. Auch wenn Geschäftsbanken in Einzelfällen mit den gestiegenen Zinsen zu kämpfen haben werden – tiefere Zinsen sind für die Eindämmung allfälliger Systemprobleme weder notwendig noch sinnvoll oder zielführend.